Anne SchönhartingDas Erbe

Anne Schönharting

Das Erbe

seit 2017

Was in anderen Familien das Gästezimmer ist, wurde in Anne Schönhartings Familie das „Afrikazimmer“ genannt. Es befand sich bis vor kurzem in einer Doppelhaushälfte in Diera bei Meißen. Dort zog es in der Nachwendezeit in das Haus der Eltern ein. Vier Generationen lang war das „Afrikazimmer“ der Ort für die Sammlung des Urgroßvaters Willy Klare. Dieser war von 1907 bis 1914 im Auftrag einer Liverpooler Handelsgesellschaft als Kakaoplantagen-Verwalter im heutigen Äquatorialguinea tätig und trug zahlreiche Objekte zusammen, darunter Waffen, Alltagsgegenstände, Tierpräparate und Schmuck. Zusätzlich sind Hunderte Fotografien sowie Briefe und Postkarten aus dieser Zeit erhalten.

Über vier Generationen hat die Familie an dieser Sammlung festgehalten, sie immer wieder neu für sich in den Wohnräumen arrangiert und durch eigene Reisesouvenirs erweitert. Zu DDR Zeiten war das Zimmer identitätsstiftend, ein Symbol für Ferne und Weite, für die Freiheit zu reisen. Afrika galt als Sehnsuchtsort, der koloniale Hintergrund der Artefakte blieb weitgehend unreflektiert, die Provenienz der Gegenstände unhinterfragt.

Nach dem Tod der Eltern sah sich die Fotografin mit diesem Erbe konfrontiert — und setzt es in ihrer Arbeit nun in veränderte Kontexte. Sie stellt die Objekte aus in traumartigen Szenarien, um gibt sie mit Licht und Wärme, um sie symbolhaft lebendig werden zu lassen. Mit den Bildern begibt sich Anne Schönharting auf eine assoziative Reise in eine ihr unbekannte Historie und tritt bewusst ein in einen persönlichen Dialog mit der Vergangenheit ihrer Familie, mit der deutschen und europäischen Geschichte und der kolonialen Verantwortung.

Anne Schönharting

1973 geboren in Meißen.
1995–1998 Ausbildung am Lette Verein Berlin, Fachrichtung Foto-Design.
1997 Kodak Nachwuchs Förderpreis.
Seit 1999 Mitglied bei OSTKREUZ.
2005/2007 Medienpreis der Kindernothilfe-Stiftung.
2006 Förderung, VG Bild-Kunst-Stipendium.
2006/2007 Hansel-Mieth-Preis.
2007 Lehrauftrag an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Fachbereich Fotografie; Gruppenausstellung Muslimische Frauen in Deutschland, Goethe-Institut Washington D.C.
2011 Gruppenausstellung Wo Wirtschaft spielt, Stilwerk, Hamburg.
2016 Förderung, VG Bild-Kunst-Stipendium.
Seit 2019 Mitglied Art Directors Club für Deutschland.
2020 Gruppenausstellung Diversität der Moderne, Haus am Kleistpark, Berlin; Publikation Das Erbe, Hartmann Books, Stuttgart.
2020/2021 Gastprofessur an der Bauhaus-Universität Weimar; Berufung in die DGPh.
Anne Schönharting lebt und arbeitet in Berlin.